Eine Zahl, die im Abstimmungskampf um die «Begrenzungsinitiative» immer wieder auftaucht: 1 Million. So viele Personen sind laut SVP in den 13 Jahren eingewandert, seit die volle Personenfreizügigkeit mit der EU gilt.
Die Folgen spüre man täglich, sagt Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Kampagnenleiterin: «auf den Strassen im Stau und im öffentlichen Verkehr. Aber auch dort, wo noch kürzlich eine Wiese war und jetzt Wohnblöcke stehen.»
Zwei Drittel aus EU, ein Drittel aus Drittstaaten
Fakt ist: Seit 2007 sind netto rund 959’000 Menschen in die Schweiz eingewandert. In der gleichen Periode wanderten 70’000 Schweizerinnen und Schweizer aus. Zwei Drittel der Zuwanderer – 650'000 – kamen aus EU-Staaten. Ein Drittel stammte aus Drittstaaten und hatte nichts direkt mit Personenfreizügigkeit zu tun.
FDP-Nationalrat Kurt Fluri kennt die Wachstumsprobleme. Der Stadtpräsident von Solothurn und Präsident des Städteverbandes sagt: «Es gibt Herausforderungen, aber die sind bisher bewältigbar.» Eine vor fünf Jahren gemachte Studie zeige, dass die Vorteile der Zuwanderung aus dem EU-Raum mehr Vor- als Nachteile brächten. So sei die Schweiz etwa auf gute Fachkräfte aus der EU angewiesen.
Es gibt Herausforderungen, aber die sind bisher bewältigbar.
Knappes Land
Eine andere Zahl: 450'000 Wohnungen. So viele brauchten laut SVP eine Million Zuwanderer. Auch dass innerhalb von 13 Jahren Siedlungsfläche im Umfang von 57’000 Fussballfeldern überbaut wurde, bestätigt das Bundesamt für Statistik. Alles wegen der Zuwanderung, so die SVP.
Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung für Landschaftsschutz, widerspricht: «Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Anzahl Menschen und Bodenverbrauch. Aber wir leisten uns pro Kopf immer noch zu viel Ressourcen. Das ist vor allem anzusetzen, und nicht an der Anzahl Personen an sich.»
Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl Menschen und dem Bodenverbrauch. Aber wir leisten uns pro Kopf immer noch zu viel Land und Ressourcen.
Mehr Leute – mehr Mobilität
Anderer Meinung ist Andreas Thommen, Gemeindepräsident und Geschäftsführer von Ecopop, einer konservativen Vereinigung von ökologischen Wachstumskritikern: Die Wohnfläche pro Kopf stagniere seit zehn Jahren auf hohem Niveau, trotzdem werde immer mehr verbaut: «Mehr Leute bedeuten mehr Mobilität. Das braucht mehr Strassen, Spitäler, Schulen und Restaurants. Da wird dann also doch viel grünes Land zubetoniert.»
Mehr Leute bedeuten mehr Mobilität. Das braucht mehr Strassen, neue Spitäler, Schulen und Restaurants. Da wird dann also doch viel grünes Land zubetoniert.
Die 10-Millionen-Prognose
Die letzte prominente Prognose: die 10-Millionen-Schweiz. Diese komme bald, wenn man die Zuwanderung nicht selber steuere, sagt SVP-Nationalrätin Friedli: «Niemand will eine zubetonierte Schweiz, sondern eine lebenswerte – mit Feldern, Wiesen und Erholungsräumen zwischen Genf und Rorschach. »
Niemand will eine zubetonierte Schweiz, sondern eine lebenswerte - mit Feldern, Wiesen und Erholungsräumen zwischen Genf und Rorschach.
Die Zehn-Millionen-Schweiz ist kein Fakt, aber eine amtliche Prognose: Laut dem Bundesamt für Statistik dauert es je nach Entwicklung noch mindestens 30 Jahre, aber vielleicht auch nur noch zwölf Jahre, bis die Marke geknackt wird.
Verdichtung als Rezept
Laut den Statistikern macht die Zuwanderung drei Viertel des Bevölkerungswachstums aus. Fluri hält nicht allzu viel von solchen Prognosen, hänge doch das Bevölkerungswachstum stark vom Wirtschaftswachstum ab.
Die Schweiz sei gerüstet für zehn Millionen – ohne weitere Zerstörung von Kulturland, sagt Fluri. «Es braucht eben auch die Verdichtung der Ortschaften nach innen und nicht nur der Städte. Es gibt sehr viele Brachen und vernachlässigte Wohnungen, die unternutzt sind.» Da lasse sich noch sehr viel Potenzial realisieren. Das neue Raumplanungsgesetz leiste gute Dienste.